Ein Lymphödem beeinflusst nicht nur den Körper, sondern oft auch die Psyche und das Sozialleben. Die Diagnose kann Gefühle wie Schock, Wut, Trauer oder Angst auslösen – schließlich handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die äußerlich sichtbar sein kann. Es ist normal, dass man Zeit braucht, dies zu verarbeiten. Im Folgenden einige Gedanken und Ratschläge zum seelischen Umgang mit dem Lymphödem:

Gefühlslage und Umgang mit der Diagnose: Erlauben Sie sich Ihre Gefühle. Es ist verständlich, sich zu fragen „Warum ich?“. Manche Betroffene sind anfangs verzweifelt oder ziehen sich zurück. Wichtig ist, diese Gefühle nicht zu verdrängen, sondern aktiv damit umzugehen. Sprechen Sie mit vertrauten Menschen darüber, wie es Ihnen geht – ob mit dem Partner, engen Freunden oder jemandem aus der Familie. Allein das Aussprechen kann schon erleichtern. Vielen hilft es auch, mit Mitbetroffenen zu reden, die genau wissen, wovon Sie sprechen (siehe unten: Selbsthilfegruppe). Schritt für Schritt können Sie die Diagnose in Ihr Leben integrieren. Versuchen Sie, das Lymphödem als einen Aspekt Ihres Lebens anzusehen – nicht als das ganze Leben. Ja, es erfordert Aufmerksamkeit, aber es gibt weiterhin viele andere Facetten Ihres Daseins, die schön und wichtig sind.

Körperbild und Selbstbewusstsein: Ein Lymphödem kann das Selbstbild beeinträchtigen. Sichtbare Schwellungen – etwa ein deutlich dickeres Bein oder ein geschwollener Arm – und das Tragen von Kompressionsbandagen können das Gefühl geben, „anders“ auszusehen. Das kann Scham oder Unsicherheit auslösen. Sie sind nicht allein damit: Lymphödeme können entstellend wirken und das Körperbild belasten​. Doch hier gilt es, nach und nach das Selbstbewusstsein zurückzugewinnen. Erinnern Sie sich: Sie sind schön, so wie Sie sind. Menschen in Ihrer Umgebung, die Sie mögen, schätzen Sie wegen Ihrer Persönlichkeit, nicht wegen des Umfanges Ihres Beins. Oft nehmen Außenstehende die Schwellung weniger dramatisch wahr, als man selbst denkt. Moderne Kompressionskleidung muss sich nicht verstecken – es gibt elegante Strümpfe, sportliche Looks und Möglichkeiten, diese in Ihre Kleidung zu integrieren. Manche tragen ihre Kompressionsärmel mit Stolz offen sichtbar und erhalten positive Rückmeldungen à la „Cooles Muster – was ist das?“. Das kann helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken. Ein weiterer Weg: Körperpflege und Styling. Gönnen Sie sich z. B. mal professionelle Fuß- oder Handpflege, schicken Nagellack (wenn Haut intakt), oder kleiden Sie sich in Farben, die Sie zum Strahlen bringen. So fühlen Sie sich wohler in Ihrer Haut.

Soziales Umfeld: Anfangs haben viele Angst, auf Unverständnis zu stoßen – etwa, dass andere sagen könnten „Stell dich nicht so an“ oder die Notwendigkeit der Therapie nicht begreifen. Glücklicherweise wächst die Aufmerksamkeit für Lymphödeme in der Gesellschaft langsam. Erklären Sie Ihrem Umfeld ruhig in einfachen Worten, was ein Lymphödem bedeutet („Meine Lymphbahnen transportieren nicht genug Flüssigkeit ab, dadurch schwillt z. B. mein Bein an. Ich muss jetzt Kompressionsstrümpfe tragen und ein paar Dinge beachten, damit es nicht schlimmer wird.“). Die meisten Menschen reagieren mit Interesse und Anteilnahme, wenn man offen darüber spricht. Und für die wenigen Unverbesserlichen gilt: Ihre Gesundheit geht vor, lassen Sie sich von unwissenden Kommentaren nicht beirren. Umgeben Sie sich bevorzugt mit Menschen, die Ihnen gut tun und Sie ermutigen.

Unterstützung suchen: Sie müssen das Rad nicht neu erfinden! Es gibt viele Informationsquellen und Hilfsangebote. Neben ärztlicher Betreuung sind Selbsthilfegruppen eine wertvolle Stütze (siehe nächster Abschnitt). Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Trost spenden, praktische Tipps liefern und einfach das Gefühl geben, verstanden zu werden​. Auch Online-Foren oder Social-Media-Gruppen zum Thema Lymphödem können hilfreich sein, vor allem wenn es vor Ort keine Gruppe gibt oder als Ergänzung​. Achten Sie aber darauf, dass Sie sich in seriösen und wohlwollenden Communities bewegen. Wenn Sie merken, dass die seelische Belastung zu groß wird – z. B. wenn depressive Verstimmungen oder Angststörungen auftreten –, zögern Sie nicht, professionelle psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychotherapeut*innen oder psychoonkologische Beratungsstellen (falls das Lymphödem infolge einer Krebserkrankung entstanden ist) kennen solche Anpassungsprobleme und können Ihnen Techniken zeigen, besser damit klarzukommen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Alltag anpassen, ohne Lebensfreude zu verlieren: Integrieren Sie das Lymphödem-Management in Ihren Alltag, aber definieren Sie nicht Ihren gesamten Alltag darüber. Es hilft, eine Routine zu entwickeln (morgens anziehen, abends pflegen, etc.), damit es zur Selbstverständlichkeit wird. Planen Sie ruhig Ihre Woche im Voraus: Wann kann ich Bewegung einbauen? Wo brauche ich Pausen? Wenn Sie Ihre Aktivitäten drumherum organisieren, haben Sie das gute Gefühl, aktiv die Kontrolle zu behalten. Gleichzeitig: Belassen Sie Freiräume für Vergnügen und Spontaneität (siehe vorheriger Abschnitt). Es ist eine Gratwanderung, aber mit der Zeit werden Sie besser einschätzen können, was geht und was nicht. Und erlauben Sie sich, auch mal etwas Nicht-Perfektes zu tun – z. B. einen Tag faulenzen ohne Gymnastik, oder ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte trotz Kalorien. Balance ist die Devise.

Gemeinschaft und Zugehörigkeit: Ein Lymphödem kann sich anfühlen, als wäre man alleine mit einem seltenen Problem. Doch das stimmt nicht – es gibt viele mit ähnlichen Erfahrungen. Sich dieser Gemeinschaft anzuschließen, kann enorm entlasten. In Selbsthilfegruppen schließen sich Betroffene zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen​. Man teilt Erfahrungen, kleine Erfolge, aber auch Frust – und allein das gegenseitige Zuhören hilft. Unsere Gruppe in Nordmünsterland bietet so einen Raum (mehr dazu gleich). Viele finden in solchen Gruppen neue Freundschaften. Gemeinsam kann man sogar Humor in die Sache bringen – etwa wenn alle lachen, weil wieder mal keiner eine passende Jeans über den Kompressionsstrumpf bekommt. Dieses Gefühl, verstanden zu werden, kann sehr viel Kraft geben.

Zusammengefasst: Achten Sie auf Ihre seelische Gesundheit ebenso wie auf die körperliche. Sprechen Sie über Ihre Gefühle, holen Sie sich Hilfe und Austausch, und vergessen Sie nicht, dass Sie immer noch Sie selbst sind – mit all Ihren Talenten, Interessen und liebenswerten Eigenschaften. Das Lymphödem ist nur ein Teil Ihres Lebens, und mit der Zeit wird es – so berichten viele – einfacher, damit umzugehen und seinen Frieden zu machen.